Was ist eine «Landesausstellung» und wozu brauchen wir sie?
Designfans kennen den «Landi Stuhl» von Hans Coray. Zürcher kennen die «Landiwiese» als Heimat der Skater, Freestyler und des Zürcher Theaterspektakels. Und nein, der Gemischtwarenladen «Landi» hat damit nichts zu tun.
Die «Landi», Landesausstellung oder «Expo» ist seit über 100 Jahren eine Schweizer Institution. Neben den Weltausstellungen – wie sie kürzlich Mailand aufgemischt hat, oder uns im vorletzten Jahrhundert den Eiffelturm bescherte – ist die Schweiz das einzige Land, das seit über 100 Jahren für jede Generation eine Landesausstellung organisiert. 1883 fand sie in Zürich statt, 1896 in Genf, 1914 in Bern, 1939 in Zürich, 1964 in Lausanne und 2002 in Biel/Yverdon/Murten. 2027 soll sie einerseits digital/dezentral stattfinden und andererseits, an einem Ort, wie zum Beispiel dem Gelände des Militärflugplatzes Dübendorf.
Jedes Mal war die Landesausstellung ein Anlass, der die ganze Schweiz mehrere Jahre beschäftigt und einen Sommer lang zusammengebracht hat – mit gesellschaftlichen Nach- und Nebenwirkungen, die noch Jahrzehnte spürbar waren. Soziologen sprechen von der Landesausstellung als wichtigen Teil der «symbolischen Infrastruktur» unseres Landes. Man kann auch sagen, jede «Landi» hat unsere Schweizer Identität, unsere Haltung und unser Selbstvertrauen als kleines Land auf einem grossen Planeten, geprägt und gefestigt. Daran möchten wir anknüpfen.
1883 war die erste Landesausstellung ein Instrument des frisch geborenen Föderalismus. Sie war die Verkörperung der 1874 revidierten Bundesverfassung. In einer Zeit, in der Kommunikationsmittel und Mobilität noch in ihren Kinderschuhen steckten, war die Landesausstellung der Ort, an dem sich eine abstrakte Schweiz in ihrer Vielfalt begegnete und sich für eine gemeinsame Zukunft festigte.
2027 ist das Bedürfnis – aus ganz anderem Grund – genau dasselbe. In einer Zeit, in der wir digital hochvernetzt sind, wird die Landesausstellung wieder zum Ort, an dem sich eine abstrakte Schweiz in ihrer Vielfalt begegnet und sich für eine gemeinsame Zukunft festigt. Und das ist in Zeiten von Globalisierung, Strukturwandel und Digitalisierung auch dringend nötig.
Landi ’39 – Zürich: Eindrucksvolle Kundgebung und Präsentation des Schweizertums
Expo 64 – Lausanne: Hoffnung auf Fortschritts Utopie-Maschinerie und Wunsch nach Wiederbelebung des Landi-Geistes
Expo.02 – im Drei-Seen-Land: Orte der unverbindlichen Symbolik und Sommer der Leichtigkeit
*Fotoaufbereitung: NZZ | Kurzbeschriebe: Selma Wick | Filmschnitt: Angelo Sansone